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Team von GratXray nominiert – präzises Röntgen von Brustgewebe

18.5.22
GratXray Marco Stampanoni und Zhentian Wang

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Mit hochauflösendem Röntgen dem Brustkrebs auf der Spur -  Marco Stampanoni und Zhentian Wang, PSI-Forschende und "Team Members" von GratXray sind für den Europäischen Erfinderpreis nominiert. Wir gratulieren dem Team, von GratXray AG, die zu den Member Companies vom Park Innovaare gehören. GratXray AG wurde 2017 gegründet und widmet sich derzeit der Entwicklung eines Prototypen für die dreidimensionale Bildgebung. Wie erfolgreich sie dabei dem Krebs auf der Spur sind, zeigt ihre Geschichte und ihre Nominierung. 

 

Seit über zehn Jahren forschen die beiden Wissenschaftler am PSI und an der ETH Zürich an besseren Diagnosemethoden für die Früherkennung von Brustkrebs. Ihre Arbeit wird mit dieser prestigeträchtigen Nominierung geehrt. Die Gewinner werden an der Preisverleihung vom 21. Juni bekanntgegeben.

Seit 2006 ehrt das Europäische Patentamt jährlich Persönlichkeiten, die mit ihren bahnbrechenden Erfindungen zum technologischen und wirtschaftlichen Fortschritt unserer Gesellschaft beitragen und damit unseren Alltag wesentlich verbessern. Fünf Kategorien mit je drei Nominierungen stehen auf der Liste. Marco Stampanoni und Zhentian Wang gehören zu den Finalisten in der Kategorie der Nicht-EPO-Staaten – in dieser Kategorie werden Erfindungen anerkannt, die von Mitgliedstaaten ausserhalb der Europäischen Patentorganisation oder mit deren Zusammenarbeit entwickelt wurden.

Die beiden Wissenschaftler haben eine neuartige Diagnosemethode entwickelt, mit der sich Brustkrebs zuverlässig und schmerzfrei diagnostizieren lässt. Ihre Erfindung basiert auf der sogenannten Phasenkontrast-Bildgebung. Dabei handelt es sich um ein Röntgenverfahren, das nicht nur detektiert, wie viel Strahlung vom Gewebe absorbiert wird, sondern auch, wie sich die Strahlung durch das Passieren von unterschiedlichen Gewebearten in ihrer Richtung verändert. Diese zusätzlichen Informationen können detektiert und zu einem Bild verarbeitet werden. «Unsere Diagnosemethode führt zu äusserst scharfen, detail- und kontrastreichen Bildern, worauf sich etwaige Vorstufen von Brustkrebs, wie Kalkablagerungen, Verdickungen oder Asymmetrien, besser als bei der herkömmlichen Mammografie erkennen lassen», so Marco Stampanoni.

Das Problem mit der herkömmlichen Methode

Viele Staaten setzen auf sogenannte Screening-Programme, bei denen sich Frauen ab einem bestimmten Alter in regelmässigen Abständen auf Brustkrebs voruntersuchen lassen können. Eine solche Voruntersuchung verläuft meist über ein Röntgenverfahren, eine sogenannte Mammografie. Hierbei wird die Brust zwischen zwei Plexiglasplatten zusammengedrückt und mit Röntgenstrahlen durchleuchtet. Man kann sich das vorstellen wie bei einem Schattenwurf: Die Strahlung geht grösstenteils durch die Brust hindurch, nur ein kleiner Teil wird vom Gewebe absorbiert. Da Verhärtungen und Kalkablagerungen dichter sind als das umliegende Gewebe, absorbieren diese Regionen auch mehr Strahlung. Dieser Unterschied wird dann detektiert. Man erhält dabei ein typisches Röntgenbild, auf dem verdächtige Regionen heller erscheinen als gesundes Gewebe.

Was in der Theorie simpel klingt, ist in der Praxis überhaupt nicht einfach. Verhärtungen in der Brust lassen sich nur sehr schwierig deuten, da sich die Dichten der unterschiedlichen Gewebe kaum voneinander unterscheiden. Liegt ein Verdacht vor, so sind weitere bildgebende Methoden wie Magnetresonanztomografie oder Ultraschall nötig. Ein eindeutiges Urteil liefert schlussendlich nur die Biopsie.

Diese Schwierigkeit führt zu vielen falsch-positiven Ergebnissen und dadurch zu unnötiger psychischer Belastung für die betroffenen Frauen. Etwa 8 von 10 Verdachtsfälle erweisen sich am Ende als gutartig. Dies ist einer der Gründe, weshalb über den effektiven Nutzen des regelmässigen Mammografie-Screenings immer wieder diskutiert wird.

Doch wie lassen sich detailreichere Bilder produzieren, ohne dabei die Strahlenbelastung auf ein schädliches Mass zu erhöhen? Marco Stampanoni, Zhentian Wang und ihr Team fanden eine Antwort darauf.

Dem Licht seine gesamte Information entlocken

Röntgenstrahlung ist nichts anderes als Licht – hochenergetisches Licht, das für das menschliche Auge unsichtbar ist. Treffen Lichtwellen auf ein Medium, so können sie beispielsweise ganz oder teilweise absorbiert werden – jenes Phänomen, welches auch beim klassischen Röntgen genutzt wird. Licht kann aber auch von einem Medium gebeugt oder gebrochen werden, was in einer Richtungsänderung der heraustretenden Welle resultiert. Ausserdem können die Lichtwellen in einem Medium mit unterschiedlicher Dichteverteilung ungleich verlangsamt werden, sodass sich ihre sogenannten Phasen zueinander verschieben.  

«All diese Phänomene werden in der klassischen Röntgenbildgebung als Rauschen interpretiert und herausgefiltert. Tatsächlich enthalten sie jedoch wichtige Informationen über die Dichteverteilung im durchleuchteten Medium», so Zhentian Wang. Richtig detektiert und ausgewertet, lassen sich daraus hochauflösende Röntgenbilder erzeugen, ohne dafür die Strahlendosis zu erhöhen.

Um diese Phänomene für eine treffsichere Diagnose nutzen zu können, greifen die beiden Wissenschaftler auf die sogenannte Gitter-Interferometrie zurück – eine Technik, welche ursprünglich am PSI von Christian David und Franz Pfeiffer zur Charakterisierung von Synchrotron-Röntgenstrahlung eingeführt wurde. Die Technik basiert auf sehr feinen Gittern, welche das Röntgenlicht in ein sogenanntes Interferenzsignal umwandelt. Aus diesem Signal lassen sich schliesslich die Absorptions-, Phasen-, Beugungs- und Brechungseigenschaften des durchleuchteten Objekts berechnen, woraus sich ein Bild generieren lässt.

Die Technik aus der Grundlagenforschung wurde Schritt für Schritt verfeinert und angepasst. Unzählige Arbeitsstunden von vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Publikationen und Patente trieben die Forschung immer weiter voran. Durch die enge Zusammenarbeit mit dem Kantonsspital Baden, dem Universitätsspital Zürich und der Firma Philips konnten erste präklinische Studien an Gewebeproben durchgeführt und ein Prototyp für die zweidimensionale Bildgebung an Patientinnen und Patienten entwickelt werden. Die vielversprechenden Resultate führten 2017 zur Gründung der Firma GratXray AG, welche zurzeit an der Entwicklung eines einzigartigen Prototyps für die dreidimensionale Bildgebung arbeitet. Mit seiner Hilfe wollen die Forscher zeigen, wie die Anwendung der Technik in der alltäglichen medizinischen Praxis funktionieren könnte. 2017 gewann die Firma den Swiss Technology Award und in diesem Jahr sind die beiden Wissenschaftler nun für den Europäischen Erfinderpreis nominiert. «Wir sind sehr stolz auf diese wichtige internationale Anerkennung. Sie zeigt, wie komplexe Grundlagenforschung in Kombination mit dem Erfindergeist und der Passion eines begeisterten Forschungsteams zu einer konkreten Anwendung für die Allgemeinheit führen kann», so Marco Stampanoni über die Bedeutung ihrer Nominierung.

Die häufigste Krebsart überhaupt

Brustkrebs ist die häufigste Krebsart unter Frauen und gilt seit Ende 2021 laut der Weltgesundheitsorganisation sogar als die weitverbreitetste Krebsart überhaupt. Das Risiko einer Erkrankung steigt mit zunehmendem Alter. Obwohl Frauen am häufigsten betroffen sind, können auch Männer Brustkrebs entwickeln. Wie bei jeder Krebsart gilt auch hier, je früher der Tumor entdeckt wird, desto grösser sind die Heilungschancen. Viele Staaten setzen deshalb auf sogenannte Screening-Programme, bei denen sich Frauen ab einem bestimmten Alter in regelmässigen Abständen voruntersuchen lassen können. Der Nutzen dieser Voruntersuchungen ist jedoch noch nicht vollständig geklärt und gerät immer wieder in Kritik. Die Phasenkontrast-Bildgebung könnte helfen, die Früherkennung zu verbessern und die Voruntersuchungen attraktiver zu machen.

Popular Prize

Zusätzlich zu ihrer jeweiligen Nomination sind alle Finalistinnen und Finalisten auch für den sogenannten Popular Prize nominiert. Die Gewinnerinnen und Gewinner dieses Preises werden durch die breite Öffentlichkeit gewählt. Jede Person hat eine Stimme und kann unter dem folgenden Link für ihre Favoriten abstimmen.

Die Preisverleihung kann am 21. Juni um 12:00 Uhr live unter folgendem Link mitverfolgt werden.